Jazz im Museum

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"Summertime" oder "Summer in the City"
2010

Früher, das war so Ende der 80er, Anfang der 90er veranstaltete die Stadt Frankfurt im Sommer immer ein grosses Summertime Festival mit allerlei Veranstaltungen. Von Jazz über Theater, Strassentheater bis hin zu Tanztheatern. Früher war alles kostenlos, bis irgendwann bei der Stadt Frankfurt der Geldfluss versiegte.

Frankfurt: Jazz im Museum 2010
Abb. 1: Frankfurt, Jazz im Museum 2010

Zwischen 1995 und 1999 gründete sich im Umfeld des Künstlerhauses Mousonturm ein Förderverein und liess die legendären Summertime Events wieder auferstehen. Zwar gibt es heute die Veranstaltungen nicht mehr kostenlos, so doch zu einem erschwinglichen Preis von 5 Euro, der sich 2009 auf 12 Euro erhöhte.
Aufgrund des Umbaus des bisherigen Spielorts, der Innenhof des Historischen Museums am Frankfurter Römerberg, musste die Veranstaltung eine neue Spielstätte finden. Die Organisatoren fanden diese zunächst am Schaumainkai im Garten des Liebighauses. In 2012 ist der Garten nun aber aufgrund einer grossen Skulturenausstellung von Jeff Koons belegt, weswegen ein erneuter Umzug in den Park des Museums für Angewandte Kunst nötig wurde.
Ich erinnere mich gerne zurück an die Sommersonntage, zu denen ich mich Sonntags morgens um 10 auf den Weg machte, um vom Alltagsstress abschalten zu können. Zumeist war das auch ein beliebter Treffpunkt von Gleichgesinnten. Als die Serie Mitte der 90er Jahre eingestellt wurde, fehlte richtiggehend eine feste Anlaufstelle. Nun ist das aber wieder anders. Wir warten schon gespannt auf das erste Konzert in diesem Jahr, das selbst Gäste aus Hannover anreisen lässt ...



[25.7.2010] Mit dem Helge Lien Trio startete die diesjährige Saison von Summer in the City mit Jazz im Park. Wie auch in den vorherigen Jahren strömte das Publikum bei schönem Wetter in Scharen in den Garten des Liebieghauses. Helge Lien stellte mit den Stücken seine neueste CD "Hello Troll" vor, die mit einer Einleitung der Organisatorin begann:
Ein Troll ist mal ein kleines, mal ein grosses Wesen, das aber immer dumm ist. So begab sich eine Geschichte, wo ein kleiner Junge mit einem Käsebrötchen auf einen Troll traf. Der Junge dem Troll gegenübertrat mit den Worten: "Ich zerdrücke dich wie diesen Stein in meiner Hand" und er zerdrückte das Käsebrötchen in seiner Hand und der Troll verschwand.
Mit In the wind somewhere oder Radio wurden die Sphähren der "Trolle" die unter dem Blätterwald des Gartens des Liebieghauses sich tummelten, dem sich vermischenden Rauschen des Windes, dem Gezwitscher der Vögel ein Klangbild erschaffen, das den Zuhöhrer in das Land der kleinen und grösseren Wichte mit auf eine Reise nahm. Mit Garnut warning zog der Trollwald am geistigen Auge vorbei. Die klaren Töne, auf den Schienen der Reise mit dem Zug durch die Axis of free will. Die Rythmen, mal vom Bass und den Drums getragen, wechselten zum Piano. Die tiefen Töne im tiefen dunklen Wald folgten Lichtungen von Melodien - in einem Moment vorhersehbar, im nächsten Moment in einem neuen Lauf, in eine neue unverhersehbare Wandlung wechselnd - spannungsreich mit Froozee, mal an einen fröhlichen Tanz erinnernd in Diverted dance wechselte das Repertoire beständig auch in den Klängen.
Ein Ohrwurm der Extraklasse könnte It is what it is, but it is werden. Manchem könnte die Anlehnung an Keith Jarrets "Country" in den Sinn kommen wäre da nicht der eigenwillige Melodiebogen. Was dieses Stück auch aufzeigt, das Zusammenspiel des Trios ist kein Herausheben eines einzelnen Musikers, sondern ein Komposition des Zusammenspiels, das während des gesamten Konzerts anhielt.
In der zweiten Hälfte kamen auch einige ältere Stücke zur Aufführung. Besondere Erwähnung findet hier Take five in der des Helge Lien Trio's typischen Interpretation von Klangspiel und Rythmik.
Für die Organisatoren von Jazz im Park ein gelungener Einstand in die neue Saison. Das begeisterte Publikum liess das Trio nicht ohne eine Zugabe von der Bühne. Mögen noch viele weitere unvergessliche Aufführungen in diesem Jahr unter diesen guten Vorraussetzungen folgen.

Helge Lien, piano
Frode Berg, bass
Knut Aalefjoer, drums



Frankfurt: Jazz im Museum 2010, Helge Lien Trio
Abb. 2: Frankfurt, Jazz im Museum 2010, Helge Lien Trio


[1.8.2010] Andromeda Mega Express Orchestra - dichtgedrängt nicht nur die 19 Musiker (ein Bratschist fiel aus) auf der Bühne, auch die Zuschauer sassen dichtgedrängt auf der Wiese auf den Bänken, obgleich die Technik diesmal nicht aufgebaut werden musste.
Wer sich vor dem Konzert einen Eindruck mit einem Youtube Video verschaffen wollte, war sicherlich mehr als positiv überrascht von dieser Gesamtaufführung der galaktischen musikalischen Reise, die mehr ein Gesamtprogramm denn eine Einzelaufnahme ist. Erst mit einer doppelten Overtüre (Gamma Pluto Delta und Asteroids!) als Einstieg erschliesst sich dem Zuhörer die ganze Vielfalt dieses experimentellen Orchesters, das sich nicht Klassik, nicht Jazz einordnen lässt. Dem vermeintlichen Chaos entspringen Bilder Assoziationen von Stan Kubrik's "Space Odysee" oder den von Startrek Klassikern.
Was die 19 Musiker mit den 4 Teilgruppen - Streicher - Bläser I, Bläser II und der Rhytmusgruppe wie unsichtbare Kräfte in der Gravitation zusammenhalten liess war die Magie bekanntes auseinanderzupflücken und neu wieder zusammenzusetzen. Nichts schien vorhersehbar und doch mündete das Konzert in einer Einheit, die das tägliche Chaos um uns herum zutreffend wiederspiegelte.
Die pulsierenden Lava Lovers Ströme, oder Andromeda der die Sinne vernebelt waren Aspekte, die dem Zusatz "Mega Express" gerecht wurden.
Daniel Glatzel's Stärke ist sicherlich nicht die Moderation. Der Kopf der eigentlich 20 köpfigen Truppe, beweist aber Talent in den Arrangements der subtilen Fazetten, einem Bogen der sich von der Klassik über einen Swinging Bigband Sound bis zur Avantgarde spannt. Ebenso experimentell die Minimalmusik eines Philipp Glass, gespielt von einem Orchester (!), dann Passagen eines rückwärts gespielten Stücks, das sich sicherlich mit einem Recorder aufnehmen liesse um es dann rückwärts abgespielt noch einen Sinn zu ergeben.
Immer wieder erhascht man etwas zuvor geglaubt gehörtes um es im nächsten Moment für eine musikalische Illusion zu halten. Wer die CD noch nicht gehört hat, kann wahrlich nicht behaupten solch eine Musik zuvor schon einmal gehört zu haben ... getreu dem Motto "Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt das Orchester in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gehöhrt hat."
In Space Pyrolator wird karikativ ein Reiskocher als Zeitgeber für den Einsatz des letzten Satzes in Szene gesetzt. In der Zugabe dann die vermeintliche Rückbesinnung auf Bach's Pr(e)ludium - so denn hier als Postludium gespielt.



Frankfurt: Jazz im Museum 2010, 	Andromeda Mega Express Orchestra
Abb. 3: Frankfurt, Jazz im Museum 2010, Andromeda Mega Express Orchestra


[8.8.2010] Sidsel Endresen & Håkon Kornstad aus Norwegen waren diesmal zu Gast. Die Moderatorin verriet, das pünktlich am Morgen, als Sidsel zum Soundcheck auf die Bühne trat, die Wolkendecke aufriss und die Sonne zum Vorschein kam. Wie überhaupt für die Veranstaltung der Wettergott ein Einsehen hatte und nur beim letzten Stück und bei der Zugabe einige Tropfen herunterschickte.



Frankfurt: Jazz im Museum 2010, Sidsel Endresen & Håkon Kornstad
Abb. 4: Frankfurt, Jazz im Museum 2010, Sidsel Endresen & Håkon Kornstad

Sidsel Endresen und Håkon Kornstad als ein Duo zu beschreiben trifft nicht den Kern. Eine Symbiose aus Saxophon und Stimme gekoppelt mit der Methodik des Samplings bei der einmal das Saxophon, das andere mal wieder die Stimme in den Vordergrund tritt, aber niemals übertönend, sondern mehr den Wellenbergen auf einem See oder Fjord gleich.

Die Experimente von Stimme und Saxophon, die einmal an Klangmalereien wie Märchen aus Tausend-und-Einer Nacht in Norwegen entstammen könnten, erinnern - wie Reisende in einer Oase tausende Kilometer versetzt in den Norden, in Erwartung der neu ankommenden Karawanen dem Treiben zuschauen bei ihrer eigenen Erholung. Von den Klängen verwöhnt werden, wer möchte das nicht einmal geniessen ? Hier am Sonntag vormittag war es den Zuhöhrern gegönnt Sidsel bei ihren Klangreisen zu lauschen. Sich forttragen zu lassen in den Sphähren der Klänge.

Auch konnte man den Eindruck gewinnen, als wolle Sidsel mit ihren Händen und Fingern das Instrument Stimme wie ein Klavier spielen. Der Vergleich Klavier hängt zweifelsohne, aber der Einsatz von Percussion und Sampling nur mit der Stimme ist vergleichbar mit der Klangfülle eines Klaviers.

Ein Musiker, der sein Instrument beherrscht, der muss lange Zeit dafür üben. Dafür hat es in den langen dunklen Wintermonaten sicherlich genug Zeit, um die ausgefeiltesten Samples zu entwickeln. Die Einsatzmöglichkeiten von Elektronik liefern genügend Stoff, um daraus auf die Stimme reduziert neue, experimentelle Klänge, Rythmen und Melodien zu erzeugen. Was beim Saxophon noch mit Einsatz der Elektronik erfolgte, setzte Sidsel nur mit Hilfe ihrer Stimme um.

Zum Ende des Konzerts fielen dann doch einige Regentropfen, die dem Stück einen passenden Namen hätten geben können: Rain Song. Die bunt schillernde Pracht der Regenschirme des Publikums erinnerte an eine sommerliche Blumenwiese und waren der visuelle Spiegel der audiotiven letzten zwei Stunden.
Bei der Zugabe dann - The Rain Is Over, öffnete dann bei den letzten Takten der Wettergott dann doch die Schleusen und sprengte somit den Abschluss des Konzerts.



Frankfurt: Jazz im Museum 2010, Sidsel Endresen & Håkon Kornstad


Frankfurt: Jazz im Museum 2010, Sidsel Endresen & Håkon Kornstad
Abb. 5 + 6: Frankfurt, Jazz im Museum 2010, Sidsel Endresen & Håkon Kornstad

Besetzung:
Sidsel Endresen - vocal, vocal sampling, vocal percussion
Håkon Kornstad - (bass, drum, percussion, sampling,) sax



[15.8.2010] Was haben Beethovens Mondscheinsonate und Portico's Quartet gemeinsam ?
Die Tonfolge der Eingangsmelodie von Beethovens Mondscheinsonate lässt sich auf einer Hang spielen und das Portico Quartet variiert die Melodiefolge zu immer neuen Kombinationen.
Das Portico Quartet hat den Klang des Hang für sich entdeckt. Ein Instrument, das an eine Untertasse erinnert; mit Vertiefungen und einer Öffnung im Boden. Wird das Instrument mit der Hand gespielt ertönt ein durchgängiger Klangteppich, mit einem darübergelegten Melodiereigen, der durch die 7 Einwölbungen und eine Auswölbung (= 7 + 1 Töne) herrührt. Bei der Benutzung von Schlägeln ist der durchgängige Basiston dagegen weniger dominant. Die Melodietöne haben einen metallischen Klang wie ihn auch die Steeldrums entwickeln, aber wesentlich weicher, sanfter und mit dem Basiston verbunden eine ungewohnte Klangfarbe erzeugen.

Der Name Portico Quartet rührte von einem Konzert in Italien her, bei dem durch Regenschauer das Konzert unter ein Portico verlegt, wovon fortan das Quartett den Namen Portico Quartet annahm. Ob nun der Name Programm war, das die "feuchte" Wetterlage, im ersten alsauch im zweiten Set einen Schauer niederschickte, oder ob vielleicht doch die Himmel Tränen liessen (?) mag jeder selbst für sich philosophieren. Dem Konzert tat es keinen Abbruch. Die Zuschauer trotzen mit Schirmen bewaffnet dem Wettergott und lauschten den sphärischen Klängen.

Durch den eigentümlichen Klang des Hang (der Name Hang kommt aus dem Berner Dialekt und steht für "Hand"), der von der Fülle an Obertönen, die beim Spielen erzeugt werden können herrühren - jedem Tonfeld können zwei Obertöne zugeordnet werden: ein Oberton, der eine Oktave über dem gespielten Ton liegt und eine sogenannte Duodezime, die eine Quinte über der Okatve erklingt wird aus einer hart klingenden Steeldrum aus Trinidad in Symbiose mit einem indischen Ghatam ein neues Instrument mit weichen, beruhigenden Tönen.

Die Klangreise ging diesmal ins Himalaya ... oder auch in den Orient. Von den klassischen Elementen der melodiösen Themen, entwickelten sich stürmische Klanggebilde einem Sandsturm gleich, die sich in einem Titel The Full Catastrophe wiederspiegelten. Die Titel Clipper, Life Mask oder Line liessen nicht die Dynamik vermuten, die mit Hang-Hang, einem Double Bass mit elektronischer Unterstützung, einem Schlagzeug und einem Saxophon (auch mit elektronischer Unterstützung) sich erzeugen liessen. Ekstasisch, verzerrte Gitarrenriffs ohne eine Gitarre auf der Bühne kamen zwar auch vor - dennoch war das Konzert mehr eine malerische Klangreise durch Tibet, Nepal, und Indien und die vier jungen Londoner Musikern vermochten, den Wolkenverhangenem Himmel Tränen zu entlocken.

Besetzung:
Jack Wyllie - Saxophones, Electronics
Milo Fitzpatrick - Double Bass
Duncan Bellamy - Drums, Piano
Nick Mulvey - Hang Drums, Percussion



Frankfurt: Jazz im Museum 2010, Portico Quartet UK
Abb. 7: Frankfurt, Jazz im Museum 2010, Portico Quartet UK


[22.8.2010] Christof Lauer, Michel Godard & Patrice Héral - Was gibt es Neues ?
Die meisten Stücke die heute zur Aufführung kamen stammen vom Album Blues in Mind, u.a. Un regalo per natale, was sie auf Wunsch von "Dieter" spielten.

Sie möchten nicht so klingen wie andere Saxophonisten, Schlagzeuger ... Die Kompositionen sind dazu auch nicht geeignet in irgendein Schema gepresst zu werden. Dafür ist Christoph Lauers Spiel zu sehr von Christophs Stil geprägt. Und die Bassstimme mit Tuba ist auch nicht gerade dazu ausgelegt dies als einen Standard zu definieren. Christophs Melodiebögen akzentuiert durch Michel's tief und tieferklingenden Tubaklänge, die auch schon mal an ein Didgeridoo erinnern, oder durch mehrstimmige Spielweise das Klangbild immer wieder verändern. Und dann die erfrischende Rythmik durch Patrice Héral's Schlagwerk, unterstützt von Stimme und Elektonik, das hier eigentlich schon ein eigenes Instrument darstellt.

Ausflüge in den Rock'nRoll oder klangbildlicher Kamelritt durch die imaginäre Wüste bei sengender Hitze - dazu passte die gleissende Sonne am Himmel, die nicht nur den Musikern feuchte Hemden bescherte ... nicht aufgrund Feuchtigkeit von "oben" sondern aufgrund der hochsommerlichen Temperaturen. Einige Zuschauer retteten sich unter das grüne Dach der Bäume. Die meisten der etwa 1100 Zuschauer (!) aber lauschten gebannt dem Spiel des Trios. Dann heizte auch noch Patrice Héral beim Rock'nRoll den Zuschauern mächtig ein. Ganz im Sinne Blues in Mind.

Mit diesem fünften und letzten Konzert in dieser Reihe, ging die diesjährige Saison, sicherlich mit einem Zuschauerrekord und einem krönendem Abschlusskonzert zu Ende.



Frankfurt: Jazz im Museum 2010, Christof Lauer, Michel Godard & Patrice Héral D/F
Abb. 8: Frankfurt, Jazz im Museum 2010, Christof Lauer, Michel Godard & Patrice Héral D/F


Summer in the city 2010
25.7. - 24.8.2010

Reihe: Jazz im Museum
Im Garten des Liebieghaus Skulpturensammlung, Schaumainkai 71, Frankfurt/Main
Immer Sonntags von 11 bis 13 Uhr

So 25.7.Helge Lien Trio NO - (Homepage) Summer In The City Programm 2010
So 1.8.Andromeda Mega Express Orchestra D - (Homepage)
So 8.8.Sidsel Endresen & Håkon Kornstad NO
So 15.8.Portico Quartet UK - (Homepage)
So 22.8.Christof Lauer, Michel Godard & Patrice Héral D/F
(Alle Angaben ohne Gewähr)



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x) Auszüge


Weitere Infos unter: www.mousonturm.de



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